AUS: Wetterauer Geschichtsblätter, Band 28, Jahrgang 1979, Seiten
121-123
DIE FAMILIE DES WASENMEISTERS ANTON ECKMAYER IN NIEDERMÖRLEN
Von Erich Brücher
In seinem Aufsatz über Alt-Friedberger Krakehler erwähnt Christian
Waas eine Beschwerde gegen den Gastwirt zur „Rose“, Johann Philippi
(1748-1824). Im Herbst 1799 hatte dieser eine verendete Geis in seinem Garten
begraben lassen, statt den Wasenmeister zu rufen, der sie auf dem Schindanger
vergraben und die Haut zu eigener Verwendung gehabt hätte. Gegen dieses älteste
Wasenmeisterprivileg, so Waas, hatte Philippi verstossen; da er obendrein
unwahre Angaben zur Sache machte, wurde er in drei Gulden Strafe genommen und
mußte seine Geis wieder ausgraben lassen1. Beschwerdeführer war der
durch Philippis Eigenmächtigkeit unmittelbar Benachteiligte, „der Wasenmeister
und Nachfolger der früheren reichsstädtischen Scharfrichter, Anton Eckmayer,
der damals in Nieder Mörlen wohnte“.2
Josephus Antonius Eckmayer lautet sein vollständiger Name Am 16.
Januar 1739 ist er in Arberg, Diözese Eichstätt, getauft worden. Peter Eckmayer
und dessen Ehefrau Anna geb. Reichard sind die Eltern, Mathias Müller aus
Ohrnbau (Ohrenbach, Mittelfranken) hatte Patenstelle versehen. Vater und Pate
sind als „excori-ator“, also Abdecker, Schinder, Wasenmeister bezeichnet.3
Im hiesigen Raume wird der aus dem Fränkischen gekommene,
dreissigjährig als Eheschließender in dem damals kurmainzischen Nieder-Mörlen
urkundlich. Das Kirchenbuch nennt ihn fortan „carnifex“, also Scharfrichter,
gelegentlich auch „ex-coriator“. Katholischer Konfession, heiratet er am 23.
November 1769 die etwa gleichaltrige Witwe, „honesta vidua“, Anna Maria Nordt.
Zeugen sind Caspar Hochwald aus Nieder-Mörlen, und Vincent Rathmann aus dem
mainzischen Neustadt.4
Die Nord(t) sind mit den im weiteren Familienverband vorkommenden
Rathmann, Döring, Reichard und Fach als Scharfrichter- und
Wasenmeisterfamilien im Hessischen häufig,5 über mehrere Jahrzehnte
auch in Nieder-Mörlen vertreten.
Ein Johann Michael Nord, „ Nachrichter in Nieder-Mörlen“, ist am 15.
September 1726 in Friedberg Pate bei Johann Michael Bürger, einem Sohn des
dortigen Scharfrichters David Bürger. Eine Maria Katharina Nord aus
Nieder-Mörlen, Tochter des verstorbenen Anton Nord, heiratet 1759 in Friedberg
den Scharfrichtersohn Philipp Johann Schmidt aus Mühlen, Bezirk Usingen.6
Als anderthalbjähriges Kind stirbt am 9. November 1762 in Nieder-Mörlen Eva
Catharina Nordt, Töchterlein des dortigen Scharfrichters, „carnifex“, Johann
Michael Nordt, dessen Familie damit für Nieder-Mörlen urkundlich wird.
Johann Michael Nordt selbst wird am 23. April 1768 begraben, das
Sterbealter mit 32 Jahren angegeben. Er ist also um 1736 geboren, Herkunft und
Verwandtschaft sind nicht ersichtlich. Er hinterließ als Witwe die bereits
erwähnte Anna Maria Nordt, deren Mädchenname, wie auch Ort und Zeit der
Eheschließung aus den Einträgen nicht hervorgehen. Jedoch wurden in etwa
achtjähriger Ehe vier Kinder geboren:
1. Eva Catharina, (geb. um
1761), gest. 9. November 1762, anderthalb Jahre alt;
2. Agatha, (geb.?), heiratet
am 3. Juni 1789 in Nieder-Mörlen einen Sebastian Fach aus Dieburg;
3. Elisabetha Catharina, geb.
und get. 8. Februar 1763 in Nieder-Mörlen; Paten: Elisabeth Döring und deren
Tochter Catharina aus Amöneburg; begr. 30. März 1772;
4. Johann Michael, get. 6.
September 1768; Pate: Johann Michael Nordt, Söhnlein des Christian Nordt, zu
Ilbenstadt; verh. 15. April 1798 in Nieder-Mörlen mit Magdalena Fabian (?).
Die Friedberger Meisterei war zu jener Zeit im Besitz eines Johannes
Nordt, der aus Ober-Ramstadt stammte, seit 1755 vertraglich als Scharfrichter
und Wasenmeister der Freien Reichsstadt bestellt war,7 und dieses
Amt bis zu seinem Tode am 28. März 1771 versah; gefolgt von Andreas Wittmann,
der am 29. April 1782 verstarb.8 Neben diesen letzten, das Friedberger
Scharfrichterhaus „vor dem Userthor“ bewohnenden Meistern verrichtete Anton
Eckmayer zunächst also den Wasendienst in dem benachbarten Nieder-Mörlen, bis
er schließlich nach Wittmanns Tod, jetzt 43 Jahre alt, von seinem langjährigen
Wohnsitz aus auch den Friedberger Wasendienst besorgte.
Die Zeitverhältnisse gestatteten dies. In den Gedankengängen der
Aufklärung rückte die Justiz des ausgehenden 18. Jahrhunderts von dem
unmenschlichen Strafensystem der überkommenen mittelalterlichen „Carolina“
(1532) mehr und mehr ab, eine Vielzahl von Züchtigern und Nachrichtern wurde
entbehrlich; den Wasendienst engten spürbare Fortschritte in Medizin und
Veterinärwesen, auch der allgemeinen Hygiene, zunehmend ein.9
Mußten vordem kleinere, ländliche Wasenmeistereicn die älteren, auf größere Bezirke
ausgerichteten städtischen Meistereien entlasten, was jene zahlreichen, auf
Dörfern ansässigen „Scharfrichter“ erklärt, die praktisch aber nur Schinder,
Abdecker, eben „Wasenmeister“ waren, galt es jetzt, das wirtschaftliche
Auskommen der in ihrer Existenz bedrohten Meistereien aufzubessern bzw. zu
sichern. Die Zusammenlegung mehrerer Meistereien war eine Notwendigkeit. Im
Kampf um das tägliche Brot hatte Anton Eckmayer im Herbst 1799 also guten
Grund, wider Johann Philippis Eigenmächtigkeit beschwerdeführend bei der
Obrigkeit einzukommen.
Doch zurück zu seiner Familie. Die von Anton Eckmayer in
Nieder-Mörlen geheiratete Anna Maria Nordt brachte drei minderjährige Kinder
erster Ehe, die Töchter Agatha und Elisabetha Catharina, sowie den kurz nach
dem Ableben des Vaters geborenen, jetzt einjährigen Sohn Johann Michael in die
neue Ehe ein, und schenkte in den nächsten 17 Jahren noch weiteren sieben
Kindern das Leben:
1. Johann Peter, get. 11. Juni 1771; Pate: Johann Peter Reichard,
Scharfrichter in Burggrafenrode; gest. 24. Februar 1820 in Nieder-Mörlen;
2. Antonius, get. 2 Mai 1774; Pate: Anton Schliz aus Nieder-Mörlen;
3. Anna Eva, get. 8. Dezember
1776; Pate: Eva Nordt, Tochter des Christian Nordt aus Ilbenstadt;
4. Christian, get. 3. Dezember 1778 und alsbald verstorben; Pate: Christian
Nordt aus Ilbenstadt;
5. Johannes, get. 21. November
1779; Pate: Johannes Nordt aus Ober-Ursel;10 gest. Anfang 1789, 9 Jahre, alt;
6. Eva Elisabeths, get. 3.
August 1782; Pate: Eva Elisabetha Nordt aus Frankfurt/M; gest. 16. Mai 1853
als Ehefrau des Jakob Klee in Nieder-Mörlen;
7. Johann Christian, eet. 30.
September 1786; Pate: Johann Christian Nordt aus Ilbenstadt.
Anna Maria Eckmayer verstarb im Alter von 64 Jahren am 16. April
1802, Anton Eckmayer nach vierjähriger körperlicher Schwäche im 67. Lebensjahr
am 16. September 1805.
Sein ältester Sohn Peter (verheiratet seit 28. Oktober 1800 mit Anna
Margaretha Wex (11.5.1781 - 11.2.1846, aus Nieder-Mörlen), und dessen Sohn
Jakob (1803-1854, verheiratet seit 19. Juli 1829 mit Theresia Brellinger aus
Nieder-Mörlen) versahen den überkommenen Wasendienst weiter. Die alten
Schranken ihres Berufsstandes waren allerdings gefallen, Eheschließungen und
Gevatterschaften ihrer Kinder nicht länger mehr auf auswärtige Wasenmeisterfamilien
abgestellt.
Das nach Wasenmeister Wittmanns Tod unbewohnte Friedberger
Scharfrichterhaus „vor dem Userthor“ wurde im Sommer 1804 dem Kuhhirten als
Wohnstatt zugewiesen, das baufällig gewordene Kuhhirtenhaus abgebrochen.11
Die alte Meisterei verschwand beim Bau der Main-Weser-Bahn um die Mitte des
Jahrhunderts vom Erdboden.
1) Krakehler und Krawaller in Alt-Friedberg; Fdbg. Gesch. B1L 14, 1942, S. 100 ff, hier S. 110.
2) Auch Eckmayr (Kb. Arberg) oder Eckmeier (Waas a. a. O.). — Schreibweise hier durchgehend nach dem Nieder-Mörler Kirchenbuch.
3) FrdL Mitt. d Kath. Pfarramtes Arberg.
4) Die Nieder-Mörler Kirchenbücher beginnen nach dem grossen Dorfbrand vom 28. August 176Z Taufen wurden zurück bis 1736 nach Familien geordnet nachgetragen, ab September 1762 dann in zeitlicher Reihenfolge registriert. - Die Familie Johann Michael Nordt ist in diesem Nachtrag nicht aufgeführt, mit 2 Kindern ist sie wahrscheinlich erst nach dem Brande 1762 zugezogen.
5) VgL Glenzdorf/Treichel,
Henker, Schinder und arme Sünder, 2 Bdt, 1970. - Die Familien Eckmayer hier
allerdings nur mit Magdalene Eckmaier aus Arberg, geb. um 1772, gest. vor 1850,
Ehefrau des Fallmeisters Caspar Pflüger in Mönchsroth, vertreten.
6) Friedberger Kirchenbücher im Stadtarchiv Friedberg, ab 1780 im dortigen evang. Gemeindeamt.
7) Vertrag vom 13. August 1755 in „Akten der Burg und Stadt Friedberg über den Dienst des Scharfrichters und Wasenmeisters zu Friedberg (Staatsarchiv Darmstadt, Abt IX, Konv. 57, Fase. 1). Mit ihm enden diese Akten; über die späteren Friedberger Wasenmeister, und insbesondere über Anton Eckmayer, dort sowie im StA. Friedberg keine Unterlagen.
8) Andreas Wittmann und seine Ehefrau Gertrud geb. Nord (bei ihrem Ableben 1789 „Elisabeth“ genannt) lassen ab 1779 in Friedberg taufen.
9) Beispiel aus Hanau 1806 in
meinem Aufsatz „Handschuhrecht und Hundeschlagen“ (Hessische Heimat/Beilage der
Giessencr Allgemeinen Zeitung Nr. 14/3. 7. 1976).
10) Hinweis auf Patenschaft des Henricus Döring aus Amöneburg durchstrichen.
11) Christian \\ aas, Die Chroniken von Friedberg in der Wetterau, Bd. 3, 1963, S. 18.