Familienforschung Gemmel
aus Herford
(geschrieben von Fritz Speer 1941)
INFO:
Fritz Speer hatte
im Laufe der Zeit alle wichtigen älteren Familienpapiere des Zweiges
Gemmel/Krietemeyer gesammelt und an sich gebracht, hier häufig näher bezeichnet
mit „noch heute in meinem Besitz“.
Nach seinem Tod
blieben diese Unterlagen verschollen. Eine Suche nach möglichen Nachfahren oder
Verwandten der 2. Ehefrau blieb auch erfolglos.
Korrekturen und
Erläuterungen in eckigen [Klammern] stammen aus der Gegenwart.
INHALT
Johann
Christoph Friedrich Gemmel
Henriette
Amalie Pöppel, verehelichte Gemmel
Johann
Heinrich Friedrich Gemmel
Anna
Christine Friederike Gemmel, verehelichte Krietemeyer
Zeugmacher [Tuchweber] aus Königsberg i.Preussen, wohnte auf
der Neustadt in Herford.
Seine Tochter, Henriette Amalie Pöppel heiratete den
Er wurde im Jahre 1744 [an anderer Stelle auch: 1748] als Sohn des Doktors der Medizin [Sehr
fraglich! Vermutlich Feldscher oder Wundarzt!], Gemmel, in Halberstadt geboren.
Er lernte das Friseur- und Perückenmachergewerbe und kam auf seiner
Wanderschaft nach Herford zu dem Meister Johann August Kuhlmann.
"Ich, Johann
Augustus Kuhlmann in der Königl. Preußischen Erbstadt Herford, bescheinige
hiermit, daß gegenwärtiger Geselle namens Johann Christopher Friedrich Gemmel von
Halberstadt gebürtig, 21 Jahr alt, von Statur klein, gelben Haaren [=blond],
bei uns allhier 1 ¼ Jahr in Arbeit gestanden, und sich solche Zeit
über treu, fleißig,friedsam und ehrlich wie einem jeglichen Gesellen gebühret,
verhalten hat, welches wir nach Vorschrift des von Seiner Königl. Majestät von
Preußen, unserm allergnädigsten Herrn, unterm 6. Augusti 1732 publicierten Reichspatents
nicht nur hiermit attestieren, sondern auch unsere sämtliche Genossen in Königlich
Preußischen Landen dienstlich ersuchen wollen, diesen einländischen Gesellen
nach gewöhnlichem Gebrauch überall gelten, jedoch soll dieser Kundschaftszettel
nur in denen Königl. Preuß. Landen gültig sein.
Zu wahrer Urkund haben
wir diesen Kundschafts=Zettel mit unserm gewöhnlichen Siegel bekräftiget.
Gegeben in der
Erbstadt Herford
den 3. Juli anno 1775
Am 20.April 1782 leistete er den Bürgereid in Herford
(Original desselben in meinem [=Fritz Speer] Besitz) und wurde dadurch Bürger.
Am 13. September 1782 kaufte er das Haus Klarenstrale Nr.
597 und heiratete die Henriette Amalie Pöppel.
Er starb im Februar 1816, im Alter von 72 Jahren.
Geboren am 12. Februar 1733 in Herford. Sie war eine fromme Frau. Eine Mappe voll Gebete und Liederverse, die sie der Magd Elise Meyhöfner diktierte, ist noch vorhanden. Ebenso ein Testament, in welchem sie ihr Vermögen von 150 Talern ihrem jüngsten Enkelkinde vermachte. Nach dem Tode ihres Mannes lebte sie bei ihrem Sohne Friedrich, der im alten Gerichtsgebäude in der Elisabethstraße wohnte. Im Alter von 70 Jahren wollte sie ihren Sohn Gottlieb in Heiligenstadt besuchen.
Friedrich Gemmel mietete Wagen und Pferd und trat mit ihr
die Reise an. Sie kamen jedoch nur bis zum Bergertor. Da hatte sie wohl durch
das holprige Herforder Pflaster schon genug von der Reise und stieg wieder aus.
Zu ihrem 80. Geburtstage erhielt sie von ihrem Sohne Friedrich einen silbernen
Löffel mit der Widmung „H.A.G. zum 80. Geburtstage 12. Febr. 1835“. Dieser
Löffel ist noch in meinem [=Fritz Speer] täglichen Gebrauch.
Sie starb am 17. Februar 1838, im Alter von 83 Jahren.
Söhne des Johann Christoph Gemmel [Anzahl wie auch Reihenfolge sind falsch]
1) Johann
geboren am 26. August 1783 in Herford, gestorben ? [nach 1853]
Wundarzt in Hamburg.
2) Gottlieb [Falsch!
Richtig: jüngster Sohn]
geboren am 22. Februar 1791 in Herford [falsch: 22.2.1797]
gestorben ?
Uhrmacher in Heiligenstadt (Eichsfeld)
3) Friedrich (unser Urgroßvater [von Fritz Speer])
geboren am 1. Oktober 1792 in Herford
gestorben am 4. September 1884 (92 Jahre)
Gerichtsbotenmeister in Herford
4) Heinrich [Falsch!, Richtig: zweitältester Sohn]
geboren ? [12.5.1786]
gestorben ? [ca. 1830]
Schlossermeister in Alt-Arad (Ungarn)
Ihre Briefe, die sie an die Eltern und an den Bruder
Friedrich in Herford richteten, wurden von diesem gesammelt und geheftet und
sind in meinem Besitz [=Fritz Speer]. Das Wissenswerte daraus ist auf den
folgenden Blättern aufgezeichnet.
Ältester Sohn des Johann Christoph Gemmel und der Henriette
Amalie Pöppel. Er wurde am 26. August 1783 in der Klarenstraße in Herford
geboren, erlernte das Friseurgewerbe und etablierte sich später in Grünendeich bei
Hamburg (Brandeshoff) als Landchirug (Schröpfen und Aderlassen). Später wurde
er vom Hamburger Staate e als Armen-Wundarzt angestellt. Daneben war er noch
als Friseur tätig und beschäftigte 2 Gehilfen. 1832 war er in der
Choleraperiode als Wundarzt bei der 13. Spezialkommission tätig.
4 Kinder:
1) Julie, geboren
1811, heiratete seinen früheren Gehilfen und späteren Amtswundarzt Dante in
Hamburg
2) Eduard, geboren 1813, Friseur und Chirurg
3) Emilie, geboren 1815, heiratete am 12. März 1840 den Friseur und Chirurg Adolf Schenck. Der Schwiegervater kaufte ihm ein Haus in Hamburg
4) Mathilde
1814 war Johann Gemmel mit seinem kleinen Sohne zum Besuch
der Mutter zum letzten Male in Herford. Sein letzter Brief datiert vom 27. Dezember
1853.
(Nach Briefen von ihm zusammengestellt [Achtung: Der
„Ich“-Erzähler in diesem Text ist an manchen Stellen – leider ungekennzeichnet
– der Autor Fritz Speer])
Ich bin geboren am 22. Februar 1791 [Falsch! Richtig:
1797] in Herford. Ich war getreu und gehorsam und wüßte nicht, daß ich meiner
lieben Mutter vorsätzlich trübe Stunden gemacht hätte. Aber leider fühle ich
mich strafbar gegen die Behandlung meines Vaters; denn war er nicht gleich der
rechte Haushalter, so geziemte es sich doch nicht von einem Kinde, ihn zu
kränken. Nachdem ich die Schule verlassen hatte, erlernte ich das Uhrmacherhandwerk
und nebenbei bei meinem Bruder Johann das Friseurgewerbe. Darauf nahm ich als
Freiwilliger an dem Kriege gegen die Franzosen teil.
1816 ging ich auf Wanderschaft und zwar zuerst nach
Hamburg, wo mein ältester Bruder Johann sich als Wundarzt (Friseur) etabliert
hatte. Am ersten Tage kam ich bis Minden. Den andern Tag konnte ich nur 2 Stunden
marschieren, denn der Schnee fiel dicht und es war eine grimme Kälte, so daß
meine Füße erfroren und erst nach 5 Wochen heilten.
Am 1. Januar [1817] kam ich in Hamburg an. Mein Bruder
nahm mich Freuden auf und ich hatte in der ersten Zeit über nichts zu klagen. Doch
bald änderte sich das. Dafür, daß ich bei ihm wohnte, sollte ich seine Kunden
balbieren und noch obendrein Kostgeld bezahlen. Ich dachte also, du willst zu
deinem Bruder Heinrich ins Ungarland ziehen.
Einen Paß verschaffte ich mir mit Hilfe eines guten
Freundes, Johann Heinrich Lukas Wendt. Er erlaubte mir, für ihn einen
Taufschein beim Pastor zu holen, und auf diesen erhielt ich einen Paß.
Also reiste ich am 22. Februar, als an meinem Geburtstage,
von Hamburg über Lüneburg nach Braunschweig. Von da wollte ich über Halberstadt
nach Leipzig gehen. In Braunschweig aber traf ich einen Gesellen, der sagte, ich
sollte nach Regensburg reisen, von da aus könnte ich per Schiff nach Wien
kommen. So ging ich denn nicht über Göttingen sondern über Heiligenstadt.
Als ich auf dem Rathause daselbst meinen Paß visitieren
ließ, fragte man mich, ob ich mich dort nicht als Uhrmacher etablieren wollte, da
kein Uhrmacher am Orte sei. Ich besann mich nicht lange, sondern sagte ja. Also
zog ich zu dem Kaufmann Bauermeister in die Langestraße Nr. 252 und wohnte
daselbst.
Heiligenstadt hatte dazumal 800 Häuser. An Arbeit fehlte
es mir nicht. Ich hatte stets an 30 Taschenuhren in Arbeit, außer den Hausuhren.
So gelangte ich bald in gute Verhältnisse. Ich hatte mir ein paar hundert Taler
erspart und ließ mir gute Kleider nach meinem Geschmack machen. Jedermann sah
mich gerne.
Durch einen guten Freund, einen Religionsschullehrer,
machte ich die Bekanntschaft der Jungfer Charlotte Kleinhans aus Göttingen. Am
23. August verlobte ich mich mit ihr auf dem hiesigen Schützenfeste. Am 5. September
besuchte ich sie in Göttingen und brachte ihr ein kostbares Tuch und einen
goldenen Ring mit. Vier Wochen nach Michaeli wollten wir Hochzeit halten.
Aber mein falscher Paß machte mir Sorgen. Ich besprach
mich mit einem geschickten Advokaten, und der sagte mir, das sei ein leichtes, da
es doch nicht aus schlechter Absieht geschehen sei.
So feierten wir denn am 15. November in Göttingen Hochzeit.
Kindersegen hat uns Gott nicht beschert. 1827 nahmen wir ein 4jähriges Mädchen aus
der Verwandtschaft meiner Frau aus Ostfriesland auf und gewannen es recht lieb.
Als sein Vater es aber wider holen wollte, brachte ich es nach Göttingen, von
wo es der Vater abholen wollte. Doch meine Frau konnte den Schmerz nicht
überwinden und ich fürchtete das Schlimmste. Da holte ich das Kind von
Göttinnen wieder.
Arbeit hatte ich genug. Durch den Landrat erhielt ich die
Aufsicht über sämtliche Turmuhren des ganzen Kreises, es waren
an [die] 70 Stück.
1820 war ich nach langer Zeit bei meiner lieben Mutter in
Herford zu Besuch. Meine Mutter schickte mir feinen Flachs, über den sich jeder
höchst verwunderte. Selbst ein General kam und lobte dessen Güte. Ich hätte ein
vierspännig Fuder davon los sein können.
Mit dem zunehmenden Alter machten sich bei mir
Augenschmerzen bemerkbar. Was sollte ich aber als Uhrmacher mit schlechten Augen
anfangen! Ich ging also mit mir zu Rate. Ich beschloß eine Wollbandweberei zu
errichten. Solchen Plan führte ich auch 1839 aus. Ich kaufte die Wolle roh ein
und ließ sie verspinnen, doppeln, zwirnen, färben und brachte die fertigen Bänder
in den Handel. Ich hatte eine eigene Färberei und beschäftigte 100 Spinner. Alljährlich
machte ich zu Ostern und Michaeli große Geschäftsreisen.
Auf einer solchen Reise gen Frankfurt am Main erkrankte
ich in Rotenburg [=Rotenburg a.d. Fulda] und lag 8 Tage danieder. Danach fuhr
ich nach Mainz, Mannheim, Heidelberg, Karlruhe, durch den Schwarzwald über
Basel in die Schweiz. Von da zurück durch Württemberg, Bayern und Sachsen. 1843
machte ich meine letzte Reise nach Schlesien und Polen.
Nachdem mir bisher alles gut gelungen war, sollte mich das
Schicksal nun doppelt hart treffen. Das Haus, das wir bewohnten, gehörte einem
reichen Kornjuden. Als er in dem strengen Winter, darunter besonders die Armen zu
leiden hatten, sein Korn nur für übermäßige Preise feil hielt, fand man zu
wiederholten Malen an seinem Hause Drohbriefe angeschlagen, worin von Feuer und
Brand die Rede war.
Wenige Tage darauf brannte auch
wirklich das Haus nieder und damit alles, was mein war. Niedere,
verleumderische Bosheit klagte mich noch dazu als Brandstifter an.
Ich war nämlich an jenem unglücklichen Abend kurz vor
Ausbruch des Feuers zwischen 9 und 10 Uhr auf dem Abort gewesen. In derselben
Zeit, da ich auf dem Hofe war, kam der Bursche des Leutnants von Westernhagen, der
oben im Hause wohnte, mit dem Jagdhunde seines Herren die Treppe herunter, um
den Hund in den Stall zu bringen, worauf er zurückkehrte und die Hoftür von
innen zumachte. Als ich dieses hörte, eilte ich schnell vom Aborte zur Hoftüre
und rief dem Burschen zu, daß er wieder öffnen sollte. Dies geschah. Ich gehe
hierauf wieder in meine Stube und nach ungefähr 10 Minuten höre ich Feuerruf, und
die Hintergebäude meiner Wohnung stehen in hellen Flammen.
Nach zweiwöchiger qualvoller Haft wurde ich entlassen,
als unschuldig erachtet und völlig freigesprochen. Durch dieses ungerechte, voreilige
Verfahren königlicher Behörden bin ich total ruiniert worden. Meine Gläubiger
waren unerbittlich und so kam es zum Konkurs. Mein sämtliches Vermögen wurde
vom Gericht mit Beschlag belegt. Die 1200 Pfund fertiger Waren, von denen das Pfund
17 ½ Silbergroschen kostete, wurden jetzt das Pfund zu 5 Silbergroschen verkauft.
So hatte ich über Nacht Gut und Habe verloren und war zum Bettler geworden.
Im Mai des folgenden Jahres starb auch meine Frau,
nachdem sie vergeblich in Salzuflen, Pyrmont und Rehme (Oeynhausen) Heilung von
ihrem schweren Leiden gesucht hatte.
Nun hielt mich nichts mehr in Heiligenstadt. Da ich als Freiwilliger den Krieg mitgemacht hatte, bewarb ich mich um eine Stelle im Zivildienst. Nach langem Warten erhielt ich die Stelle eines Zollamtsdieners in Torgau.
(Hier schließt der
Briefwechsel)
Jüngster Sohn von Johann Christoph Gemmel [Falsch! Richtig:
zweitältester Sohn]. Erlernte das Schlosserhandwerk und ging dann auf
Wanderschaft.
Berlin den 22.Juni
1806
Beste Eltern
Ihren Brief habe ich in Altenau richtig erhalten und ihre
liebe Gesundheit daraus ersehen, welches mir von Herzen lieb ist. Was mich
anbetrifft, bin ich noch recht gesund.
Beste Eltern, in Altenau gefiel es mir nicht bei meinem Meister;
denn als ich krank wurde, da mußte ich gleich auf die Herberge und mußte mein
Geld verzehren, was ich sauer verdient hatte. Deswegen dachte ich, Du mußt noch
ein Stück weiter in Welt gehen, und nahm meinen Marsch nach Berlin, welches mir
auch geglückt ist. Ich bin bei einem guten Meister angekommen,wo
wir unser fünf sind, ich habe noch einen unter mir. Es ist ein Mechanikus und
hat auch viele Bauarbeit.
Beste Eltern, Sie haben mir geschrieben, daß mein Bruder in
Berlin wäre [=Johann Christoph Gemmel]. Ich habe schon öfter gesucht und habe
ihn nicht finden können. Wenn Sie mir wieder schreiben, so schreiben Sie mir
doch, wo er ist. Denn wenn es noch so weit ist, so folge ich ihm nach. Ich habe
schon beschlossen, daß ich 6 Wochen vor Michaeli nach Warschau gehe in Polen. Da
will ich mein Glück weiter suchen; denn hier in Berlin ist die Verführung zu
groß, da man sich zu Zeiten nicht ausschließen kann.
Weitere Neuigkeiten kann ich nicht schrei ben, als daß hier
alles sehr teuer ist. Die alte Butter kostet das Pfund 14 gute Groschen und die
frische 18, und die kann man noch nicht mal kriegen. Von Kriegsgeschichte weiß
man hier nichts. Der eine sagt dies, der andere das. Man weiß nicht, was man
daraus denken soll.
Grüßen Sie alle meine Freunde und meine Brüder, besonders meinen
Gottlieb, auch meinen Lehrmeister.
Ich bin und
verbleibe Ihr Sohn
Johann
Heinrich Gemmel
Wenn Sie mir schreiben, so adressieren Sie den Brief auf
die Schlosserherberge, Wilhelmsstraße und Zimmerstraßen-Ecke in Berlin.
Auf seiner weiteren Wanderschaft kam er nach Oesterreich
und trat auch in österreichische Kriegsdienste (3 Jahre beim 6.Husaren Regiment).[1]
Nach dem Kriege kam er nach Ungarn und trat in Alt-Arad bei einer
Schlossermeisterswitwe als Geselle ein. Später heiratete er die Witwe und wurde
zu einem wohlhabenden Manne. Er besaß 2 Häuser und 3 Weingärten von 14 Morgen
Größe. Er beschäftigte 9-11 Gesellen und 3 Buben.
In seinen Briefen bittet er wiederholt seine Mutter und
seinen Bruder Friedrich, alles in Herford zu verkaufen und nach Ungarn zu
kommen. Er selbst und seine Frau hätten keine Kinder und Erben. Er starb 1830 ( ? ). [Sein Nachfolger wurde ein gewisser Joseph Perner].
Was aus seinem Vermögen geworden ist, ist unbekannt. Es
ist wohl in Briefen erwähnt (Gottlieb Gemmel), was für Schritte man unternehmen
sollte, um in den Besitz der Erbschaft zu gelangen; doch ist anscheinend nichts
derartiges unternommen.
Geboren am 1. Oktober 1792 auf der Altstadt in Herford. 3
Sohn des Peruquiers(Friseurs) Johann Christoph Gemmel und der Henriette Amalie geb.
Pöppel. [Eigentlich 5. Sohn, zwei ältere Brüder starben im Säuglingsalter und
blieben vom Autor Fritz Speer unberücksichtigt].
Erlernte das Schlosserhandwerk, trat zum Militär und
machte den Feldzug in Rußland mit. Ein kleines Gebetbuch, das er während des
Feldzuges bei sich führte und das die Inschrift trägt: „Dieses kleine Büchlein
war meine Unterhaltung in dem Kriegsjahr 1812 in Rußland“, ist in meinem [=Fritz
Speer] Besitz, ferner ein Kavalleriesäbel und eine Pistole.[2]
Auf dem Rückmarsche aus Rußland verheiratete er sich in Greez im Herzogtum Warschau mit Rosina Dorothea Krug, Tochter des Müllers Krug (Trauschein im Original in meinem Besitz). Er reiste mit seiner jungen Frau nach Herford und trat dann wieder ins Heer ein, ins 1. Westfälische Landwehr Kavallerieregiment. Im Jahre 1823 kam er als Halbinvalide zum Garnisonsbatallion in Minden.
Aus seinen Aufzeichnungen in der Familienbibel:
…inmittels war meine Frau zum andern Male guter Hoffnung
geworden. Am 11. November des Jahres 1823, mittags, hatte sich die
Geburtsstunde eingestellt. Die Geburtsschmerzen nahmen von Stunde zu Stunde in
unerträglichem Maße zu, so daß sie noch am selben Abend, indem alle angewandte
ärztliche Mühe vergebens war, ohne entbunden zu werden ein Raub des Todes wurde.
Bei diesem schnellen Hinscheiden derselben konnte ich mich, ohne den
eigentlichen Grund des schnellen Todes zu wissen, nicht beruhigen und ließ sie
dieserhalb obducieren. Es fand sich zunächst ein schöner wohlgebildeter Knabe, der
bis zum letzten Atemzuge der Mutter bei ihr gelebt hatte. Ihr eigentlicher
schneller Tod rührte von einer inneren Verblutung.
In der Ehe habe ieh mit derselben gelebt 9 Jahre 2 Monate und 27 Tage.
Nachdem ich nun 9 Monate und 12 Tage im Witwerstande gelebt hatte, verheiratete
ich mich am 24. August 1824 mit Maria Henriette Ebert, Tochter des (Militär-)
Kapellmeisters und späteren Accise=Qfficianten Ebert und wurde mit derselben in
der Münsterkirche in Herford kopuliert.
Am 24 (August) Januar 1826 wurde ich in Warburg als Gerichtsbote angestellt. Inzwischen
war in Herford eine Gerichtsbotenstelle vakant geworden. Ich bewarb mich um sie
und trat am 1. August 1827 beim Stadt- und Landgericht zu Herford ein.
Am 26. Juni 1833 starb meine 2. Frau im Kindbett. Nun war ich gezwungen, mich zum
dritten Male zu verheiraten, um meinen Kindern eine Mutter zu geben. Ich machte
die Bekanntschaft mit der Witwe des in Bünde verstorbenen Gerichtsboten
Fischer, Elise, Tochter des bäuerlichen Gutsbesitzers Klingsiek zu
Kirchlengern. Ich verheiratete mich mit derselben am 12. Februar 1836. (Die
Beziehungen zu der Familie Klingsiek haben bis in unsere Tage gedauert, so bin
ich [=Fritz Speer] oft auf dem Klingsiekschen Hofe gewesen und habe dort
meine Ferien verlebt.)
Meine 3. Ehefrau, mit welcher ich 12 Jahre 3 Monate und 7 Tage verheiratet war,
starb am 19. Mai 1848. Die Beerdigung erfolgte hier am 23. desselben
Monats morgens 8 Uhr unter einer zahlreichen Begleitung.
Kinder aus I. Ehe
1) Friedrich Alexander
geboren 5. Juli
1817, gestorben 23. September 1835
Kinder aus II. Ehe
2) Hanne
geboren 10. Juni
1825, gestorben 16. Mai 1829
3) Anna Christine Friederike
geboren zu Warburg am 15. Juni 1827,
gestorben zu
Herford am 23. März 1914 (86 Jahre)
4) Dietrich August Gottlob
geboren 30.
März 1829, gestorben 7. März 1836
5) Wilhelm
geboren 4. Mai
1831, gestorben 3. September 1836
6) Gottlieb Theodor Alexander
geboren 24. Juni
1833, gestorben 30. September 1835
7) Henriette Maria Amalie
geboren 26. Juni
1835, gestorben 22. April 1836
Kinder aus III. Ehe
8) Joseph Otto
geboren 5. September
1837, gestorben 30. Oktober 1841
1840, nach 13jähriger Tätigkeit als Botenmeister, ließ sich
Friedrich Gemmel pensionieren. Er muß nach damaligen Begriffen ein wohlhabender
Mann gewesen sein; er besaß mehrere Häuser und Grundstücke. 1853 kaufte er das
Haus Johannisstraße 392 (jetzt Nr. 16) für seinen Schwiegersohn Heinrich Krietemeyer,
ließ es unbauen und Laden, Gaststube und Kegelbahn einrichten. Die beiden
oberen Zimmer (über der Gaststube) bewohnte er selbst (nach seinem Tode wurden
sie von unserer Großmutter bewohnt). Er war ein passionierter Sammler. So hatte
er eine wertvolle Pfeifensammlung von ca. 80 Stück und eine umfangreiche Münzsammlung.
Diese wurde später von unserer Großmutter verkauft und das Geld unter ihren vier
Töchtern verteilt. Außerdem hatte er eine kleine Sammlung von Porzellanfiguren,
Taschenuhren und Muscheln, die er im Tausch gegen Leinen von seinem Bruder in
Hamburg bezog.
Tagsüber hielt er sich meist in der Gaststube auf und
unterhielt sich mit den Gästen (plattdeutsch). Wintertags saß er in einen Wolfspelz
gehüllt im Lehnstuhl neben dem Ofen. Einmal hat er längere Zeit seinen Bruder
in Hamburg besucht, ein andermal seinen Bruder in Heiligenstadt. Bei der Einweihung
des Kriegerdenkmals auf dem Alten Markt war er als Ehrengast zugegen, ebenso
bei der Pflanzung der Eiche auf dem Lübberbruch. Viele Sachen aus seinem Nachlaß
befinden sich im Herforder Heimatmuseum.
Er starb am 4. September 1884 im hohen Alter von 92
Jahren und ist auf dem alten Friedhof in Herford beigesetzt. Neben ihm liegt
unser Großvater Krietemeyer.
Friedrich Gemmel schreibt an seinen Bruder in Hamburg
Herford den 28. August
1830
Lieber Bruder und Schwester
Dein Schreiben vom 9. vorigen Monats nebst dem Präsent an mich und meine Frau haben wir am 14. August richtig von der Post erhalten. Ich habe mich sehr gefreut, wie ich das Kistchen öffnete und die schöne Pfeife erblickte. Auch die Freude meiner Frau war sehr groß über die schöne Mütze und das dabei befindliche Band Perlen, und noch mehr hat sie gefreut, da Du schreibst, daß selbige Mütze die Arbeit der Hände Deiner Kinder ist.
Ich freue mich, so oft ich die Pfeife ansehe und dieselbe rauche, es ist mir jetzt ein teure Pfand und bleibt mir ein ewig-teueres Andenken Deiner süßen Bruderliebe. Meine Frau hat sich auch die Mütze mit dem dabei befindlichen Bande recht hübsch aufgeputzt und paßt so schön, wie es nur sein kann, und wird dieses Geschenk von meiner Frau ebenfalls in hohem Andenke gehalten. Ich sowohl wie meine liebe Frau zollen Dir und Deiner lieben Frau und Kindern für das schöne und unvergeßliche Geschenk unsern herzlichsten Dank.
Nun zur Sache. Unser Bruder Gottlieb [=Uhrmacher in Heiligenstadt] hatte schon einigemal geschrieben und jedesmal gebeten, ich möchte ihn doch besuchen. Am 13. vorigen Monats erhielt ich wieder ein Schreiben mit dem Bemerken, daß es ihm unmöglich wäre, uns zu besuchen, denn er wäre so schwach, daß er keine halbe Stunde könnte zu Beinen sein und daß ihm als dann gleich die Ohnmacht zustände, die er mit stundenlangem Sitzen wieder vertreiben müßte. Aus Bruderliebe, zumalen da unser Bruder Heinrich [=Schlossermeister in Alt-Arad in Ungarn] gestorben und uns dessen Tod erst kürzlich kund wurde, so machte ich mir da Gedanken, er möchte auch unverhofft aus der Welt gehen, ohne ihn noch einmal zu sehen. Aus eigenem Antriebe und mit Zustimmung meiner Frau und unserer Mutter, die sich auch noch auf ihre altem Tage entschloß [sie war 75 J.alt] die Reise mitzumachen, schaffte ich Wagen und Pferde an und beschloß, unsere Reise am 3. ds. Ms. anzutreten. Aber leider, wie ich bis ans Bergertor gefahren war, mußte unsere Mutter wieder aussteigen, weil ihre alte, schwache Körperkonstitution das Fahren nicht aushalten konnte. So schickte ich zu Haus [=Klarenstraße], um die Mutter wieder abzuholen.
Zur Gesellschaft nahm ich meinen ältesten Sohn Friedrich
mit [aus 1. Ehe, geb. 5. Juli 1817, gest. 23.
Sept. 1835 im Alter von 18 J. an der Schwindsucht]. Ich hatte in 3 Tagen
die Reise hingemacht und traf am 5. abends 10 Uhr in Heiligenstadt ein. Ich
fand unsern Bruder zwar schwach, jedoch nicht so, wie ich es mir eigentlich
vorgestellt hatte. Ich blieb bis zum 12. dort und nahm meine Rückreise über
Kassel, und weil ich wegen Geschenke halber und zum Besuch guter Freunde mich 2
Tage in Warburg aufhalten mußte, so kam ich am 17. glücklich und gesund mit
meinem Kinde wieder zu Hause an.
Ich hatte die sämtlichen Briefe unseres verstorbenem
Brmders mitgenommen, um dieselben nachzusehen und auch noch über das etwaige
Erbteil zu sprechen. Nun sagt unser Bruder Gottlieb, daß seine Frau [=Charlotte geb. Kleinhans aus Göttingen]
einen Jugendfreund habe, welcher ein Bibliothekar sei und in Budapest wohne. An
denselben wolle er im Auftrage seiner Frau schreiben und sich, bevor wir uns
unnötige Kosten machten, um das dasige Erbrecht erkundigen. Sodann wolle er mir
wiederschreiben und das Resultat mir mitteilen, und müssen wir uns bis dahin
beruhigen. [ = Das Schicksal
dieser Erbangelegenheit ist nie geklärt worden]
Du schreibst in Deinem letzten Briefe um den Namen des
Nachfolgers unseres verstorbenen Bruders, es heißt derselbe Joseph Perner.
Lieber Bruder, aus Deinem jüngsten Schreiben habe ich die
Reihenfolge Deiner Familie ersehen. Die Reihenfolge der meinigen ist diese:
1) Ich bin den 1. Oktober 38 J. alt
2) meine Frau ist den 7. Februar kommenden Jahres 32 Jahre alt
[=2. Ehe, geb. Ebert]
3) mein ältester Sohn Friedrich ist 13 J. alt [ aus 1. Ehe]
4) meine älteste Tochter Johanne [=„Hangen“) wurde geboren
am 10.Juni 1825 und starb nach einem 16-wöchigen Krankenlager am 16. Mai 1829 [aus
2. Ehe]
5) meine 2. Tochter Friederike [= unsere Ur-Ur-Großmutter]
wurde diesen 15. Juni 3 J. alt
6) mein jüngster Sohn August ist schon seit Pfingsten dieses
Jahres kränklich und ich befürchte, daß er an der Auszehrung leidet und ich ihn
bald verlieren werde ‑ doch nur
auf kurze Zeit. Dies ist der Gedanke, der mich lediglich aufrecht erhalten
kann.
Weiter weiß ich Dir für heute nichts zu schreiben.
Viele herzliche Grüße von unserer Mutter an Dich, Deine
Frau und Kinder
Dein Dich stets liebender Bruder
Friedrich Gemmel.
Er wurde geboren am 24. August 1824 in Herford und stammte
aus der Wirtschaft „Zur Stadt Köln“. Erlernt hat er den Kaufmannsberuf bei der
Firma „G. Stucken Ww.“ in Minden.
Lehrbrief
Der Herr Krietemeyer aus Herford hat heute seine
Lehrlingszeit beendigt. Derselbe hat zwei und ein halb Jahr treu und fleißig in
meinem Geschäfte gewirkt, ich kann ihm daher mit Recht ein Zeugnis ausstellen, daß
seine Fähigkeiten in dieser Zeit zu allen kaufmännischen Geschäften ausgebildet
sind.
Der Herr H. Krietemeyer ist 25 Jahre alt und ist demselben aus dem Grunde seine
Lehrlingszeit nachgelassen, weil er vor Antritt seiner Dienste bei mir zur
Unterstützung seiner Eltern gewirkt hat. Der Wahrheit gemäß bescheinigt mit Beifügung
des Siegels,
Minden 21.Januar 1850
Im Jahre 1850 heiratete er Anna Christine Friederike Gemmel
und betrieb im Hause Johannisstraße 392 ein Kolonialwarengeschäft mit
Gastwirtschaft und Schnapsbrennerei. Die Kenntnisse hatte er in Minden
erworben. Der Lehrherr Stucke gab den Lehrlingen die Ingredienzien zu den
einzelnen Schnapssorten. Dann saß dar Großvater während der Nacht auf, suchte
mit einer Pinzette die einzelnen Körner (Kümmel, Anis, Fenchel usw.)
auseinander und wog die Mengen ab. So erfuhr er die Zusammensetzung der
verschiedenen Sorten. (Dieses Rezeptbuch hat später Onkel August in Lübbecke
erhalten)
Die Ehe der Großeltern war nicht glücklich. Der Großvater
ergab sich dem Trunke. Als das Zerwürfnis immer größer wurde, war er eines Tages
heimlich verschwunden und nach Amerika ausgewandert. Er hat die verschiedensten
Berufe dort ausgeübt und war auch Prediger an einer Sonntagsschule. Nach seiner
Rückkehr nach Herford hielt er sich erst eine zeitlang, dann fing das alte
Leben wieder an. Er hielt sich meistens in seinem Garten am Renntor auf und
bekümmerte sich weiter nicht um sein Geschäft.
Er starb am 23. Juni 1882. Er soll ein intelligenter und sehr befähigter Mann gewesen sein. Sein Leben zerbrach an dem harten und herrischen Wesen unserer Großmutter, Anna Christine Friederike Gemmel, verehelichte Krietemeyer.
Sie wurde geboren am 13. Juni 1827 als Tochter des
Botenmeisters Gemmel während seiner kurzen Dienstzeit in Warburg. Ihre Patin
war eine vermögende Müllerwitwe, Sie hatte schon früh eine Stiefmutter, die
sich ihrer nicht besonders liebevoll annahm. Am 1. Mai 1842 wurde sie in der
Münsterkirche zu Herford konfirmiert und kam dann zur Erlernung des Haushalts
nach Wüsten bei Schötmar und nach Spenge.
Im Jahre 1850 heiratete sie den Kaufmann Heinrich Krietemeyer. Nach seinem und ihres Vaters Tode verkaufte sie das Haus an ihren Schwiegersohn Robert Speer. Bis zu ihrem Tode bewohnte sie die beiden oberen Zimmer, die vordem ihr Vater innegehabt hatte. Während des Sommers war sie fast dauernd zu Besuch bei ihren Töchtern. Sie war bis zum Tode geistig sehr rege, las sehr viel oder ließ sich vorlesen. Sie starb am 23. März 1914 nach kurzer Krankheit.
[1] [F.S.:]Aufgestellt
1734. Regimentsinhaber ab 1791 Ernst Gf Blankenstein („Blankenstein Husaren“),
ab 1814 Kronprinz Wilhelm.
Kommandeure: 1805 - Oberst Ferdinand Graf Wartensleben; 1809 - Oberst Vincenz
v. Gillert;
1812
- Oberst Georg, Frh. v. Wieland;
Kämpfe: 1809 im 1. Korps in Deutschland focht das Regiment bei
Amberg-Ursensollen, später mit Auszeichnung bei Wagram und Aspern, dann in den
Rückzugsgefechten bei Hollabrunn, Schöngrabern und Znaim. 1812 im
Auxiliar-Korps Schwarzenberg fochten Abteilungen bei Signiewiczi, Pruszany,
Kobrin, Liuboml, Stara-Wizwa und dem Überfall auf Ogorodnicki. 1813 in der
leichten Division Bubna bei der Hauptarmee in Gefechten bei Gabel, Stolpen und
Lohmen, bei Leipzig nur indirekt. 1814 in
Süd-Frankreich, Besetzung von Genf, Gefechte bei Bourg-en-Bresse und Poligny.
Divisionen bei Macon und der Blockade von Auxonne. 1815 am Rhein, beim Treffen
von Strassburg.
[2] Laut Wiederanmeldung in Herford, StadtA Herford: Jelissawetgrad’sches Husaren-Regiment